Der KI-Boom wird uns seit zwei Jahren als nächste industrielle Revolution verkauft. Unternehmen wie Amazon, Microsoft, Google und Nvidia präsentieren ihn als unvermeidlichen Fortschritt, der in den kommenden Jahren enorme Produktivitäts- und Wachstumsgewinne bescheren soll. Eine schöne neue Welt, die man uns da präsentiert, aber es gibt da einen Haken.
Immer mehr Daten deuten darauf hin, dass die ökonomischen Grundlagen dieser Erzählung brüchig sind. Hinter den Rekordinvestitionen in Rechenzentren, GPUs und Strominfrastruktur entsteht ein Finanzgebilde, dessen wirtschaftliche Stabilität zweifelhaft ist, und dessen Ausmaß inzwischen weit über den eigentlichen Technologiesektor hinausreicht.
Renditen bleiben deutlich hinter den Versprechen zurück
Eine Analyse von Rothschild & Co Redburn zeigt zum ersten Mal, wie dramatisch die Renditen der neuen KI-Infrastruktur hinter den Erwartungen zurückbleiben. Während klassische Cloud-Investitionen in der Vergangenheit beträchtliche Wertschöpfung erzeugten, liegt der wirtschaftliche Rücklauf neuer KI-Infrastruktur laut Modellrechnung bei lediglich rund 20 Cent pro investiertem Dollar.
Cloud-Angebote hingegen generierten über Jahre hinweg Werte von etwa 1,40 Dollar pro eingesetztem Dollar. Der Unterschied ist kein Margenproblem, sondern eine strukturelle Dysfunktion der aktuellen KI-Architektur. KI-Workloads benötigen enorme GPU-Leistung, Hochleistungsnetze, spezielle Kühlung und enorme Energiemengen. Gleichzeitig lassen sich die dafür nötigen Preise am Markt nicht durchsetzen.
Das lässt sich am Beispiel von Amazon besonders gut beobachten. AWS hat seine Anlagenbasis seit 2021 von 64 auf rund 224 Milliarden Dollar ausgebaut, während der operative Gewinn im selben Zeitraum lediglich von 13 auf 31 Milliarden Dollar stieg. Die Kapitalrendite sinkt damit auf den niedrigsten Stand seit einem Jahrzehnt. Auch die Kapazitätsausweitung ist problematisch, denn binnen eines Jahres kamen nach Unternehmensangaben etwa 3,8 Gigawatt neue KI-Rechenleistung hinzu. Modellrechnungen zufolge könnte diese Kapazität jährlich über 30 Milliarden Dollar Umsatz erzeugen, tatsächlich entstanden aus ihr aber nur wenige Milliarden an zusätzlichem Erlös. Der Großteil des Kapitals arbeitet nicht produktiv.
Bei Microsoft ist es ähnlich. Während klassische Cloud-Dienste in der Vergangenheit auf einen Gigawatt installierter Infrastruktur rund 17 Milliarden Dollar Umsatz generierten, liegt dieser Wert bei KI-Workloads Schätzungen zufolge nur noch bei etwa 11 Milliarden. Die Einheitserträge sinken, obwohl die Investitionen steigen.
Nvidia durch den KI-Boom völlig überbewertet
Parallel dazu ist Nvidia zum Symbol einer Überbewertung geworden. Das Unternehmen wurde zeitweise mit dem 20- bis 30-fachen Jahresumsatz gehandelt, ein Niveau, das typischerweise in spekulativen Endphasen von Marktzyklen erreicht wird. Der Ausstieg großer Investoren wie SoftBank oder Peter Thiel zeigt, dass selbst Protagonisten des KI-Booms die Bewertung infrage stellen.
Doch die eigentliche Gefahr entsteht nicht aus hohen Kursen oder sinkenden Renditen, sondern aus der Art und Weise, wie die gigantischen Infrastrukturinvestitionen inzwischen finanziert werden. Immer mehr Projekte werden über sogenannte Special Purpose Vehicles (SPVs) abgewickelt, die außerhalb der Bilanzen der großen Tech-Konzerne operieren. Private-Credit-Fonds, ein weitgehend unregulierter Bereich des Finanzmarkts, haben sich dabei zum wichtigsten Kapitalgeber entwickelt.
Sie finanzieren Milliardenprojekte, indem sie Datenzentren wie Immobilien behandeln, mit langfristigen Mietverträgen, komplexen Schuldentiteln und Ratingstrukturen, die an das erinnern, was vor der Krise der Immobilienmärkte passierte. Das Modell wirkt stabil, solange die erwarteten Zahlungsströme eintreffen. Doch diese Zahlungsströme hängen von einem KI-Markt ab, dessen Erlöspotenzial bisher weit hinter den prognostizierten Werten zurückbleibt.
Tatsächliche Kosten werden verschleiert
Doch die Probleme reichen noch tiefer. GPUs für das Training großer Modelle haben nur kurze Nutzungszyklen, teilweise weniger als zwei Jahre. Trotzdem werden sie in vielen Finanzierungsmodellen mit unrealistisch langen Abschreibungszeiträumen angesetzt, was die tatsächlichen Kosten verschleiert. Gleichzeitig entstehen gigantische Bauwerke, Rechenzentren und eigene Kraftwerkskapazitäten, deren wirtschaftliche Nutzungsdauer unklar ist. Sie können zu kostspieligen, kaum umwidmbaren Stranded Assets werden, wenn die zugrunde liegende Technologie schneller altert, als die Finanzierungsmodelle dies vorsehen.
Hinzu kommt der fortschreitende Zerfall des offenen Webs, der indirekt die Datenbasis für KI-Modelle gefährdet. Googles zunehmende Zero-Click-Suchergebnisse und KI-generierte Overviews reduzieren die Klickzahlen auf externe Websites massiv. Das schwächt nicht nur Publisher, sondern auch die Vielfalt und Menge neuer Inhalte, die letztlich als Trainingsmaterial benötigt werden. Die Qualität der großen Modelle hängt jedoch langfristig genau davon ab.
Der politische Druck wächst
Auch politisch wächst der Druck. Der EU AI Act und weitere internationale Regulierungsprojekte erhöhen die Anforderungen an Transparenz, Sicherheit und Haftung. Für Modelle, deren Training bereits jetzt extrem kapitalintensiv ist, bedeuten diese zusätzlichen Regeln steigende Kosten und zunehmende Unsicherheit.
Insgesamt entsteht ein Bild eines Sektors, der weniger durch reale Wirtschaftlichkeit getragen wird als durch gegenseitige Finanzierungsketten, Schuldenkonstruktionen und ein Narrativ, das immer größere Investitionen rechtfertigen soll. Es ist ein Kreislauf, in dem Cloudgewinne das Training neuer Modelle subventionieren, die Modelle wiederum Nachfrage nach teurer Infrastruktur erzeugen, die dann über Private-Credit-Strukturen refinanziert wird. Dabei wird Kapital auf Vorrat gebunden, in der Hoffnung, dass zukünftige Einnahmen die heutigen Ausgaben eines Tages tragen.
Noch ist nicht absehbar, wann dieses System an seine Grenzen stößt. Klar ist nur, dass der KI-Sektor sich gegenwärtig nicht aus eigener wirtschaftlicher Kraft trägt. Die größten Risiken liegen nicht bei den Tech-Giganten selbst, sondern bei den Finanzvehikeln, Fonds und Anlegern, die die Infrastruktur dieses Booms finanzieren, oft ohne zu wissen, wie abhängig ihr Investment von Prognosen ist, die bisher weitgehend unerfüllt geblieben sind.
Der KI-Boom wird uns weiterhin als der technische Fortschritt verkauft, doch unter der Haube wirkt er mittlerweile wie eine Blase, die zu platzen droht.






